Basiswissen
Es gibt verschiedene sinnvolle nicht medikamentöse Maßnahmen in der Therapie der Migräne, allen voran psychotherapeutische Verfahren, Entspannungstraining, Biofeedback und Kognitive Verhaltenstherapie (1).
Während Biofeedback oder Kognitive Verhaltenstherapie in Arztpraxen oft nicht umsetzbar sind, stellen Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson und Ausdauertraining realisierbare Lösungen dar. Für die PMR gibt es gute Evidenz für die Wirksamkeit bei Migräne. Auch wenn die Studienlage zu Ausdauersport noch keine abschließende Bewertung zulässt, sollte dennoch dazu geraten werden. Regelmäßiger Ausdauersport kann der Vorbeugung von Attacken dienen, denn er kann Entspannung fördern und Stress reduzieren. Die Kombination von medikamentösen und nicht medikamentösen Verfahren kann wirksamer sein als jedes für sich allein [2].
Diätetische Maßnahmen spielen bei der Migräneprophylaxe dagegen keine Rolle. Bekannt ist, dass viele Patienten in der Prodromalphase einer Attacke Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Süßigkeiten) entwickeln und diese Nahrungsmittel dann als Trigger der Attacke fehlinterpretieren können.
Auch Nackenbeschwerden werden zu Beginn einer Migräneattacke häufig genannt. Man interpretiert das eher als einen referred-pain durch Konvergenzen trigeminaler und hochzervikaler Afferenzen. Massagen und chiropraktische Behandlungen werden deshalb nicht als Grundbausteine einer nicht medikamentösen Prophylaxe empfohlen. Migräne ist keine von der Halswirbelsäule ausgehende Erkrankung.
Das kann man besser machen
Vielen Patienten, aber auch Ärzten, sind die Möglichkeiten nicht medikamentöser Maßnahmen bei Migräne nicht bewusst. Dabei können psychotherapeutische Verfahren ergänzend zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden; diese sind aber in angemessenem Umfang mit dem Patienten zu besprechen. Denn Patienten gehen meist mit der Erwartung zum Arzt: „Ich habe Kopfschmerzen; ich brauche doch keine psychologische Hilfe.“ Die Empfehlung einer psychotherapeutischen bzw. verhaltenstherapeutischen Interventionsmaßnahme kann als Stigmatisierung und/oder „nicht ernst genommen werden“ erlebt werden. Deshalb ist es sinnvoll, den Nutzen interdisziplinärer Behandlungsansätze bei Migräne zu vermitteln [3].
Empfehlungen für Ärzte
Es ist notwendig, neben medikamentösen Maßnahmen auch gebräuchliche nicht medikamentöse Möglichkeiten in der Migränebehandlung zu kennen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn medikamentöse Maßnahmen nicht helfen, nicht erwünscht sind oder sogar Kontraindikationen darstellen. Auf PMR und Ausdauertraining als Therapieoption sollte immer hingewiesen werden, auch wenn keine Indikation zur medikamentösen Prophylaxe besteht (allenfalls nicht bei einer rein menstruellen Migräne).
Referenzen
- Diener et al. 2018
- Holroyd et al. 2010
- Gaul et al. 2016
- Bartsch T, Goadsby PJ. Stimulation of the greater occipital nerve induces increased central excitability of dural afferent input. Brain. 2002 Jul;125(Pt 7):1496-509. PubMed PMID: 12077000.
Letzte Aktualisierung: 28. August 2019
Autor: Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Dresler