CGRP-(Rezeptor-)Antikörper in der Migräneprophylaxe

Basiswissen

Fremanezumab, Galcanezumab und Eptinezumab, die den Liganden CGRP binden, sowie der CGRP-Rezeptor-Antikörper Erenumab sind für die prophylaktische Behandlung ab 4 Migränetagen im Monat sowohl der episodischen als auch der chronischen Migräne zugelassen. Bis auf Eptinezumab, welches alle 12 Wochen intravenös verabreicht wird, werden sie subkutan injiziert. Alle Antikörper sind gegen Placebo gut wirksam, auch Real-World Daten zeigen positive Effekt. Bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt es keine Vergleichsstudien zwischen den Medikamenten, sodass diesbezüglich keine Empfehlung für einen spezifischen Antikörper ausgesprochen werden kann (1,2).

Die Behandlung mit einem CGRP-(Rezeptor-)Antikörper ist keine Impfung und hat keinen Einfluss auf das Immunsystem, sodass Impfungen unter der Therapie möglich sind und der Impferfolg hierdurch nicht beeinträchtigt wird.

Das sollte man wissen

Aufgrund der hohen Behandlungskosten kommen die CGRP-Antikörper Eptinezumab, Fremanezumab, Galcanezumab insbesondere bei Patienten in Frage, die auf keine der herkömmlichen medikamentösen Therapien/Wirkstoffklassen (Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin und Onabotulinumtoxin A bei der chronischen Migräne) angesprochen haben, für die diese nicht geeignet sind oder die diese nicht vertragen haben. An diese Bedingungen wurde auch die Erstattungsfähigkeit von Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab vom Gemeinsamen Bundesausschuss geknüpft (3-5). Eine Ausnahme gibt es jedoch für Erenumab. Für dieses Medikament konnte in einer Vergleichsstudie mit Topiramat eine bessere Verträglichkeit (als primärer Endpunkt) sowie eine bessere Effektivität nachgewiesen werden (6). Daher wird Erenumab nach Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss bereits nach Therapieversagen eines oralen Medikaments erstattet (7).

Auch wenn die Datenlage dünn ist, kann ein (mehrfacher) Wechsel der Antikörper (von Rezeptor zu Ligand und umgekehrt sowie auch von Ligand zu Ligand) im Einzelfall einen Effekt haben (z.B. 8,9). Kontrollierte Studien fehlen derzeit jedoch. Wichtig ist, dass für Fremanezumab, Galcanezumab und Eptinezumab die Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit (wie oben beschreiben) weiterhin gelten, auch wenn Erenumab erfolglos bereits nach einem oralen Therapieversagen verschrieben worden war.

Empfehlungen für Ärzte

Die CGRP-(Rezeptor-)Antikörper sind eine wirksame Therapie bei Patienten mit episodischer und chronischer Migräne. Um den Therapieerfolg zu messen und auf Anfrage nachweisen zu können, sollte ein Kopfschmerztagebuch dauerhaft geführt und ggf. Fragbögen wie der MIDAS und HIT-6 erhoben werden. Die Wirkung sollte je nach Präparat und Vorliegen einer episodischen oder chronischen Migräne nach ca. 3-6 Monaten erfolgen.

Vor ihrem Einsatz sollten jedoch die nach den Leitlinien der DGN und DMKG (2) empfohlenen Prophylaktika probiert worden sein. Eine Ausnahme besteht für Erenumab, dass nach einem oralen Therapieversager erstattungsfähig ist.

Es liegen nur begrenzte Erfahrungen zur Anwendung von CGRP-(Rezeptor-)Antikörper bei Schwangeren vor, sodass diese bei Kinderwunsch, Schwangerschaft/Stillzeit auch nicht angewendet werden sollen. CGRP scheint auch eine protektive Rolle bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu spielen, sodass bei diesen Patienten eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen sollte. Da CGRP weitere Funktionen besitzt, sollte die Antikörpertherapie auch bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, ischämischem Insult, Subarachnoidalblutung oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit sowie COPD, pulmonaler Hypertension, M. Raynaud, Wundheilungsstörungen sowie nach Organtransplantationen zurückhaltend eingesetzt werden (2). Es erhärten sich zwar neue Hinweise, dass keine erhöhten kardiovaskulären Ereignisse unter der Therapie auftreten (10), jedoch kann dies derzeit noch nicht abschließend bewertet werden.

 

Referenzen

  1. Sacco, S., Amin, F.M., Ashina, M. et al. European Headache Federation guideline on the use of monoclonal antibodies targeting the calcitonin gene related peptide pathway for migraine prevention – 2022 update. J Headache Pain 23, 67 (2022). https://doi.org/10.1186/s10194-022-01431-x
  2. Diener H.-C., Förderreuther S, Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 10.01.2025)
  3. Gemeinsamer Bundesausschuss 2019, Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Galcanezumab.
  4. Gemeinsamer Bundesausschuss 2019, Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Fremanezumab.
  5. Gemeinsamer Bundesausschuss 2022, Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff
  6. Reuter U, Ehrlich M, Gendolla A, Heinze A, Klatt J, Wen S, Hours-Zesiger P, Nickisch J, Sieder C, Hentschke C, Maier-Peuschel M. Erenumab versus topiramate for the prevention of migraine - a randomised, double-blind, active-controlled phase 4 trial. Cephalalgia. 2022 Feb;42(2):108-118. doi: 10.1177/03331024211053571. Epub 2021 Nov 7. PMID: 34743579; PMCID: PMC8793299.
  7. Gemeinsamer Bundesausschuss 2021, Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Erenumab.
  8. Straube A, Broessner G, Gaul C et al (2023) Real-world effectiveness of fremanezumab in patients with migraine switching from another mAb targeting the CGRP pathway: a subgroup analysis of the Finesse Study. J Headache Pain 24:59. https://doi.org/10.1186/s10194-023-01593-2 20.
  9. Kaltseis K, Filippi V, Frank F et al (2023) Monoclonal antibodies against CGRP (R): non-responders and switchers: real world data from an austrian case series. BMC Neurol 23:174. https://doi.org/10.1186/ s12883-023-03203-9
  10. Yang S, Orlova Y, Park H, Smith SM, Guo Y, Chapin BA, Wilson DL, Lo-Ciganic WH. Cardiovascular Safety of Anti-CGRP Monoclonal Antibodies in Older Adults or Adults With Disability With Migraine. JAMA Neurol. 2025 Jan 6. doi: 10.1001/jamaneurol.2024.4537. Epub ahead of print. PMID: 39761027.

 

Letzte Aktualisierung: 16. Januar 2025
Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Lars Neeb, Dr. med. Armin Scheffler

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