Aktuelle Umfrage: Migräne wird von Ärzten weiterhin häufig übersehen

11. März 2021 – Kernbefund einer Umfrage unter Hausärzten: 69% diagnostizieren bei ihren Patienten häufig zervikogenen Kopfschmerz. Hausärzte überweisen Patienten daher am zweithäufigsten an Orthopäden. „Dieses Ergebnis passt nicht zur epidemiologischen Datenlage. Migräne tritt deutlich häufiger auf als ein zervikogener Kopfschmerz“, so Privatdozentin Dr. med. Stefanie Förderreuther, 1. Vizepräsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), die die Umfrage initiiert hat. „Dieses Ergebnis lässt befürchten, dass in vielen Fällen eine Migräne mit einem zervikogenen Kopfschmerz verwechselt wird“, so Förderreuther. Während zwei Drittel der Hausärzte mit den Behandlungsmöglichkeiten bei Kopfschmerzen eher unzufrieden sind, ist es unter Kopfschmerzspezialisten nur ein Drittel.

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Von November 2020 bis Januar 2021 hat die Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen« der DMKG e.V. mit zwei Online-Umfragen Hausärzte (n=150, 65% Allgemeinmedizin, 35% Innere Medizin) [1] und Kopfschmerzspezialisten (n=81) [2] zu Diagnose und Behandlung von Kopfschmerzpatienten befragt. Bei den Kopfschmerzspezialisten waren knapp die Hälfte Neurologen, die zweite Hälfte setzte sich aus Anästhesiologen, Psychiatern und weiteren Fachgruppen zusammen. Auf Kopfschmerzen spezialisierte Orthopäden nahmen an der Umfrage nicht teil. 41% der befragten Spezialisten und 14% der befragten Hausärzte haben die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“.

Auffällig häufig diagnostiziert: zervikogener Kopfschmerz

Wurden Hausärzte nach den häufigsten Kopfschmerzarten ihrer Patienten befragt, nimmt im Ranking die Diagnose zervikogener Kopfschmerz nach dem Spannungskopfschmerz den zweiten Platz ein. Danach folgen sekundäre Kopfschmerzen, episodische und chronische Migräne, Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch und Cluster-Kopfschmerz (siehe Abbildung). „Dieses Ergebnis ist für uns alarmierend“, so PD Dr. Stefanie Förderreuther, 1. Vizepräsidentin der DMKG. „Wir wissen, dass die Migräne der häufigste schwere Kopfschmerz ist, der Patienten zum Arzt führt.“ Spannungskopfschmerzen sind zwar der häufigste Kopfschmerz, doch weniger intensiv und meist erst dann ein Grund zum Arzt zu gehen, wenn sie sehr häufig auftreten. Die Prävalenz zervikogener Kopfschmerzen wird auf etwa 0,4‒2,5% geschätzt und liegt damit deutlich unter der Prävalenz der Migräne, die im Mittel bei ca. 10% liegt [3]. Man müsse davon ausgehen, dass Migränekopfschmerzen noch immer bei vielen Patienten nicht erkannt werden, so Förderreuther. Das häufige Vorkommen von Nackenschmerzen bei mehr als zwei Drittel der Migränepatienten ist wissenschaftlich belegt. Die Nackenschmerzen sind allerdings die Folge der Migräne, nicht deren Ursache [4]. „Möglicherweise nehmen Hausärzte hier zu häufig einen zervikogenen Kopfschmerz an und überweisen an den Orthopäden,“ schlussfolgert Förderreuther.

Grafik Kopfschmerzarten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie kann ich Migräne vorbeugen?
Eine vorbeugende Behandlung ist notwendig, wenn mindestens 3–4 Attacken pro Monat auftreten, häufig oder immer häufiger Schmerzmittel eingenommen werden müssen, an 10 Tagen pro Monat oder mehr, und Betroffene durch die Migräne Probleme im beruflichen oder sozialen Umfeld erleben. Dann werden meist nichtmedikamentöse Therapien, besonders Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und regelmäßiger Ausdauersport, mit einer medikamentösen Behandlung kombiniert. Neben klassischen vorbeugenden Präparaten wie Betablockern, Antidepressiva, Mitteln gegen Epilepsie und Botulinumtoxin sind seit 2 Jahren auch monoklonale Antikörper gegen den Schmerzbotenstoff CGRP verfügbar, die rasch wirksam und gut verträglich sind. Damit sind wir heute in der Lage, den meisten Migränepatienten gut zu helfen.

Ausschlussdiagnostik Migräne – Initiative fördert besseres Verständnis
Die Hausarztpraxen spielen als Erstversorger eine äußerst wichtige Rolle bei der Versorgung der Volkskrankheit Kopfschmerz. Die internationale Kopfschmerzklassifikation und die Leitlinien zur Kopfschmerzdiagnostik sind etablierte Instrumente zur richtigen Diagnose und Therapie. Die Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen« der DMKG unterstützt dabei. Der Verdacht auf eine Migräne kann in den meisten Fällen schon durch wenige gezielte Fragen erhärtet werden. Auf www.attacke-kopfschmerzen.de erhalten Kollegen aller Fachrichtungen Informationsangebote zur Kopfschmerzdiagnostik und -therapie.

 

 

Grafik Überweisungen

Behandlungsmöglichkeiten noch nicht zufriedenstellend
Als häufigste Maßnahmen bei Kopfschmerzen veranlassen Hausärzte gemäß den Umfrageergebnissen  eine Verbesserung der Akutmedikation sowie nichtmedikamentöse Therapien. Vorbeugende medikamentöse Therapien stehen in der Hausarztpraxis meist nicht im Vordergrund.
Zwei Drittel der Hausärzte sind mit den Behandlungsmöglichkeiten bei Kopfschmerzen nur teils zufrieden oder sogar unzufrieden, bei Migräne gut die Hälfte. Unter Spezialisten werden die Behandlungsoptionen optimistischer eingeschätzt. Hier wünscht sich nur ein Drittel bessere Behandlungsmöglichkeiten von Kopfschmerz- und Migränepatienten.
„Eine gute Therapie beginnt immer mit der richtigen Diagnostik. Die Kopfschmerzdiagnostik gilt leider noch immer als sehr komplex und es wird den Kopfschmerzpatienten nachgesagt, sie benötigten zu viel Zeit. Mit etwas Erfahrung kommt man schnell zur richtigen Diagnose und Therapie. So  wird man viele dankbare Patienten haben. Es gibt zahlreiche medikamentöse und nichtmedikamentöse Optionen zur Akuttherapie und Prophylaxe. Ich würde mich freuen, wenn die hausärztlichen Kollegen öfter als bislang eine medikamentöse Prophylaxe einleiten würden. Ich bin mir sicher, dass dies die Zufriedenheit mit den Behandlungsmöglichkeiten steigern wird“, so Dr. Förderreuther.

Entspannungstechniken und Ausdauersport als wichtige Prophylaxemaßnahmen
Zur medikamentösen Prophylaxe von Kopfschmerzen und Migräne empfehlen sowohl Hausärzte als auch Spezialisten vor allem Beta-Blocker und trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin. Jedoch nehmen auch nichtmedikamentöse Prophylaxemaßnahmen wie Entspannungstechniken, Ausdauersport und Psychotherapie bei Hausärzten und Spezialisten eine wichtige Rolle ein. Diese Botschaft ist offenbar auch bei vielen Patienten angekommen, wie eine Forsa-Umfrage [5] belegt: 32% der Patienten bewegen sich oder treiben regelmäßig Sport, 20% nutzen Entspannungsübungen als Maßnahme gegen Kopfschmerzen.

Von Professionals für Professionals: Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen
Die Initiative unterstützt API auf www.attacke-kopfschmerzen.de mit einem umfangreichen Angebot:  

  • Der Migräne- und Kopfschmerz-Guide, kurz: mk-Guide, ist eine Informations- und Fortbildungsplattform, die fundiertes, praxisrelevantes Wissen von Kopfschmerzspezialisten zusammenträgt. Durch seinen übersichtlichen und modularen Aufbau unterstützt der mk-Guide Behandler ganz gezielt bei akuten Fragen rund um das vielfältige Thema Kopfschmerz. Die Inhalte basieren auf den derzeit gültigen Standardwerken zur Behandlung von Migräne- und Kopfschmerzen, u.a. ICHD-3 und den offiziellen Leitlinien.
  • Praxen und Kliniken können kostenfrei Patienteninformationen rund um das Thema Kopfschmerz bestellen. Alle Unterlagen stehen auch zum Download bereit.
  • Der Fortbildungskalender gibt eine Übersicht über Fortbildungen und Kongresse zu Migräne und anderen Kopfschmerzerkrankungen, geprüft und zertifiziert von der DMKG.
  • Daneben gibt es einen Schnelltest Kopfschmerzwissen für Ärzte, Lehrvideos und eine interaktive Karte mit den Standorten von Kolleginnen und Kollegen, die sich auf die Behandlung von Kopfschmerzen spezialisiert haben.

Quellen
[1] DMKG/Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen«: API-Kopfschmerzumfrage 2021, DocCheck Research Online-Befragung Dezember 2020
[2] DMKG/Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen«: Kopfschmerzspezialistenumfrage 2021, Online Befragung November 2020-Februar 2021
[3] Straube, A. and R. Ruscheweyh (2019). "Epidemiologie von Kopfschmerzen über die Lebensspanne. " Nervenheilkunde 38: 735-739.
[4] Calhoun, A. H., S. Ford, C. Millen, A. G. Finkel, Y. Truong and Y. Nie (2010). "The prevalence of neck pain in migraine." Headache 50(8): 1273-1277.
[5] Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit, März 2019; www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-studie-jeder-dritte-leidet-an-kopfschmerzen-2108596.html#/

Journalisten erhalten auf Anfrage die vollständigen Ergebnisse der Umfragen der DMKG/Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen«.

Zur besseren Lesbarkeit wurde auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.

Pressekontakt
Pressestelle der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.
Initiativenbüro »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen«
c/o albertZWEI media GmbH, Oettingenstr. 25, 80538 München, Tel.: 089 4614 86-29
E-Mail: presse@attacke-kopfschmerzen.de
www.attacke-kopfschmerzen.de
Pressesprecher der DMKG: PD Dr. med. Charly Gaul

Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG, www.dmkg.de) ist seit 1979 die interdisziplinäre wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kopf- und Gesichtsschmerzen, in der Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten, Pharmakologen und Apotheker organisiert sind. Der unabhängige und gemeinnützige Verein setzt sich für die Verbesserung der Therapie der vielen Millionen Patienten in Deutschland mit akuten und chronischen Kopfschmerzen ein. Die Fachgesellschaft fördert die Forschung und organisiert Fortbildungen für medizinische Fachberufe sowie einmal jährlich den Deutschen Schmerzkongress gemeinsam mit der Deutschen Schmerzgesellschaft. Die DMKG ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und in der Weltkopfschmerzgesellschaft (International Headache Society).

Mit der Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen« verhilft die DMKG Kopfschmerzerkrankungen zu mehr Aufmerksamkeit. Die Initiative wird finanziell unterstützt von den Unternehmen Allergan an AbbVie Company, Lilly Deutschland, Novartis Pharma und Teva. Alle fachlichen Inhalte sind von Experten aus den Reihen der unabhängigen DMKG ehrenamtlich verfasst und nicht von Werbebotschaften beeinflusst.

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