Interview mit Privatdozentin Dr. med. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der DMKG, zum Weltkopfschmerztag am 5. September 2019
Frau Dr. Förderreuther, welche Ziele verfolgt die DMKG mit der Kopfschmerz-Initiative, die am 5. September zum Weltkopfschmerztag startet?
Jeder Patient, der unter Kopfschmerzen leidet, kann behandelt werden. Doch das Thema Kopfschmerz wird noch immer zu selten ernst genommen und viel zu oft bagatellisiert. Nach wie vor gehen viele Patienten wegen ihrer Kopfschmerzen nicht zum Arzt und in der hausärztlichen Praxis ist häufig nicht viel Zeit. Leider haben zahlreiche Kollegen den Eindruck, Kopfschmerzpatienten seien besonders zeitintensiv.
Die gute Versorgung von Kopfschmerzpatienten sollte aber als gesellschaftliches Anliegen verstanden werden: Man kann hochrechnen, dass jedes Jahr bis zu 30 Millionen Ausfalltage am Arbeitsplatz auf das Konto von Kopfschmerzen gehen. Deshalb wollen wir uns dafür einsetzen, dass Migräne und andere Kopfschmerzarten künftig früher diagnostiziert und besser behandelt werden und die Patienten eine fachgerechtere Aufklärung über die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen erhalten.
Warum wenden Sie sich vor allem an den Hausarzt?
Dem Hausarzt kommt bei der Diagnose und Behandlung von Kopfschmerzen eine Schlüsselrolle zu. Mithilfe einiger gezielter Fragen ist er rasch in der Lage zu entscheiden, ob er den Patienten selbst behandeln kann oder ob dieser in die Hände eines Spezialisten oder sogar in eine Klinik gehört.
Der Hausarzt wird vor allem auch sondieren, ob ein primärer Kopfschmerz wie Migräne oder Spannungskopfschmerz vorliegt oder ob hinter dem Symptom Kopfschmerz etwas ganz anderes steckt, schlimmstenfalls sogar etwas Lebensbedrohliches. Mit seiner ersten Einschätzung kann er den Betroffenen meist unnötige Ängste nehmen und bereits eine Basistherapie und gegebenenfalls eine Zusatzdiagnostik initiieren. Der Vorteil des Hausarztes ist es, dass er die medizinische Vorgeschichte und ebenso das soziale Umfeld seiner Patienten viel besser kennt als der Spezialist.
Was sollte der Arzt bei der Diagnose beachten?
Mit einigen wenigen klar strukturierten Fragen kann der Hausarzt meist sehr rasch eine Verdachtsdiagnose stellen. Bei der Diagnostik geht es zunächst nicht darum, wie stark der Patient leidet, sondern um die Frage, ob es sich um eine Migräne oder um einen anderen Kopfschmerz handelt. Dazu wird man beispielsweise erfragen, ob der Kopfschmerz halbseitig ist oder den ganzen Kopf betrifft, ob er dumpf oder pulsierend ist und bei körperlicher Aktivität an Intensität zunimmt, wie der Patient auf Schmerzmittel anspricht und welche Begleitsymptome vorhanden sind. Die Schwere und Beeinträchtigung durch den Kopfschmerz sind dann zu eruieren, wenn die Diagnose steht. Das ist der zweite Schritt.
Von den Migränepatienten bekommen immer noch zu wenige eine Prophylaxe. Warum ist das so bedenklich?
Viele Patienten mit chronischen Kopfschmerzen, die keine wirksame Prophylaxe erhalten, versorgen sich selbst in der Apotheke mit Schmerzmitteln, insbesondere mit Triptanen, um im Alltag funktionieren zu können, und schlittern dadurch leicht in einen Schmerzmittelübergebrauch hinein. Wir schätzen, dass etwa zwei Prozent der Kopfschmerzpatienten unter einer chronischen Form leiden. Und von denen hat ein Großteil einen Schmerzmittelübergebrauch, der behandelt werden muss. Deshalb müssen die Patienten unbedingt darüber aufgeklärt werden, dass es die Möglichkeit einer medikamentösen oder nicht medikamentösen Prophylaxe gibt. Diese Aufklärung zu leisten ist die Aufgabe von uns Ärzten.
Wie unterstützt die DMKG Ärzte bei der fachgerechten Versorgung von Kopfschmerzpatienten?
Wir von der DMKG bieten Fortbildungsveranstaltungen auch für Hausärzte sowie eine Fortbildung für medizinische Fachangestellte und Arzthelferinnen zur Headache Nurse an. Hausärzte, die bei uns regelmäßig Fortbildungen besuchen, können zudem ein Kopfschmerzzertifikat erwerben. Parallel zum Start unserer Kopfschmerz-Initiative ist unter der Adresse www.attacke-kopfschmerzen.de auch eine Internetplattform online gegangen, auf der Interessierte sich regelmäßig über aktuelle Termine, Aktivitäten und Neuigkeiten rund um die Initiative informieren und mit einem Wissenstest ihren Kenntnisstand zum Thema Kopfschmerz überprüfen können. Im Herbst werden wir zudem mit der Pilotphase eines webbasierten Registers starten, mit dessen Hilfe die Patienten schon vor dem Arzttermin viele für die Kopfschmerz-Anamnese wichtige Basisinformationen eingeben können. Dieses Register soll künftig unseren Mitgliedern zur Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen.
3. September 2019
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Pressesprecher der DMKG: PD Dr. med. Charly Gaul